Eine regelrechte Stadt erstreckt sich zu Füßen der Festung. “Die schönste Stadt Italiens” so nannte sie Umberto Eco. Eine im Lauf der Zeit errichtete Stadt, im Schatten der historischen und imposanten Felsspitze, die sich im Lauf der Jahrhunderte mit Kirchen und Palästen bereicherte, welche uns beim Identifizieren der Etappen einer faszinierenden Geschichte begleiten.
Es ist Anfang 300 n.Chr. als Leone der Jungfrau Assunta eine Kapelle widmet, genau an der Stelle, wo sich heute die Pfarrkirche erhebt. Die Pfarrkirche, das heißt das Haus des einfachen Volkes, der Einwohner, die hier nicht nur zum Beten zusammenkamen. Sie eröffnet sich uns mit ihren drei Altarnischen, wobei die Polychromie ihrer Steine vom Lichtschein erhellt wird. Nicht die Hauptfassade gewährt uns Eintritt, sondern die Seitentür durch die wir in eines der drei Kirchenschiffe gelangen, von hier aus schweift der Blick bis zum Ziborium, auf welchem sich eine Inschrift aus dem Jahr 882 befindet, wodurch sich bestätigt, dass der derzeitige auf das XI.Jh. datierbare Bau mit deutlicher romanischer Ausprägung auf einem vorherigen Gebäude errichtet wurde.
Nicht weit dahinter gelegen, erhebt sich auf einem nahen Anhang der Dom. Er ist dem Heiligen Leo gewidmet und birgt den Deckel des Sarkophags in dem man den Heiligen beerdigt hatte, jedoch nicht seinen Leichnam, der sich noch immer Voghenza befindet. Beeindruckend ist die dreischiffige Innenstruktur mit einem betont erhobenen Altar und einer Krypta, zu der man über zwei in den Stein gemeißelte Seitentreppen Zugang bekommt. Es handelt sich um wichtige und kostenaufwendige Arbeiten, die man damals errichtete und wie es üblich war leistete das Volk hierzu seinen Beitrag, aber sicherlich verdanken sie ihre Verwirklichung auch der Anwesenheit des Bischofs – Herzogs. Fügt man diesen beiden Kostbarkeiten der romanischen Epoche noch den Stadtturm hinzu (zeitgleich zum Dom), haben wir die Panoramatour fast abgeschlossen, um einen Eindruck von dem zu erhalten, was Franziskus im Jahr 1213 vorfand. Er kam von einer Stelle des Waldes, wo ihm, den Erzählungen der Tradition zur Folge, ein Feuer erschienen war, an dem er sich nachtsüber erwärmte, bevor er am nächsten Tag S.Leo erreichte. Zur Erinnerung an jene Feuerstelle nannte man den Ort Sant’ Igne. Hier wurde 1244 das Kloster gegründet.
Aber kehren wir zur Piazza der Stadt zurück. Der Palazzo Nardini, den wir heute mit einem Erscheinungsbild der Spätrenaissance sehen, ist die Erweiterung eines ursprünglichen Gebäudes aus dem 13.Jahrhundert. Hier traf der Heilige Franziskus nach seiner Predigt den Grafen Cattani, der ihm La Verna zur Gabe machte, wie es auf der Gedenktafel der Fassade steht. Für die zwei folgenden Jahrhunderte wird das Volk von Leo in seinem Dorf leben, das sich einer außerordentlichen Geschichte und Naturlandschaft rühmt, während die Mächtigen um die immer uneinnehmbarer gewordene Festung streiten.
Als sie 1517 von den Medici erobert wurde, baute man in S. Leo den Palazzo Mediceo, um den Gouverneur zu beherbergen, der die Stadt für die Republik Florenz verwaltete. Auf der Fassade des Palasts sieht man daher das Wappen von Florenz mit der Lilie zusammen mit dem Wappen von Papst Julius II. della Rovere.
Den Della Rovere (welche infolge einer dynastischen Nachfolge zu den Herrschern der Stadt wurden) ist auch ein Gebäude aus dem Anfang des 17.Jahrhunderts zu verdanken, der Palazzo della Rovere, derzeit Sitz des Rathauses. Renaissancepaläste kamen im Lauf der Zeit zum urbanen Umfeld der romanischen Kirchen hinzu. Und die steile Festung schützt noch heute die Schönheit jener “Schmuckstücke”, zu deren Entdeckung wir eingeladen sind.